"Das echte Kunstwerk ist naturhaft wie ein Baum, der sich aus einem Keim entwickelt, wächst, blüht; alltäglich und doch wieder unbegreiflich in seiner Pracht, aus tausend Teilen gefügt, und doch eine einzige unbeschreibliche Schönheit..." (Joseph Marx)
Die Lebensstationen und beachtlichen Verdienste von Joseph Marx im Überblick:
Viele weitere Details, z.B. über Marx als Retter verfolgter Künstlerfamilien zur Zeit des Dritten Reiches
und über Marx als treibende Kraft bei der Renaissance der Werke von im Exil lebenden, vertriebenen Komponisten, finden Sie in meinem in der Ausgabe März 2006 der Österreichischen Musikzeitschrift erschienenen Artikel |
"Wie ist es möglich, daß ein solcher Ausnahmekomponist vergessen wurde?" (Riccardo Chailly über Joseph Marx)
"Joseph Marx ist der Führer des musikalischen Österreich." (Wilhelm Furtwängler, Dirigent, 1952)
"Dennoch aber glaube man nicht, daß Marx auch nur einen Tag seines Lebens lang konservativ war. Er war und ist ein ewiger Revolutionär. Immer hat sein Wesen etwas brausend Stürmisches, immer liegt er irgendwie im Kampf." (Hans Ewald Heller in seinem Artikel "Joseph Marx, ein österreichischer Musikant", Musikblätter des Anbruch, Nov./Dez. 1935)
"Ihr Ruf als der repräsentativste Vertreter der österreichischen Tonkunst in der Gegenwart ist weit über die Grenzen unseres Landes hinaus in der Welt verbreitet, und die vollendete Meisterschaft Ihrer musikalischen Schöpfungen hat Ihnen die bewundernde Anerkennung einer internationalen Anhängerschaft eingebracht." (Franz Jonas, späterer österreichischer Bundespräsident; in einem Brief an Marx im Jahre 1952)
"Es ist meine heilige Überzeugung, daß ohne das Irrationale, Unbewußte, Intuitive, Mystische kein Kunstwerk von wirklichem innerem Wert entstehen kann. Joseph Marx besitzt diese heute seltenen Eigenschaften in so hohem Grade wie nicht bald ein anderer lebender Österreicher. Ich glaube daher fest, daß SEIN Werk noch leben wird, wenn die "Musikkonstrukteure", die es mit der kalten Technik allein machen wollen und denen Seele, Ergriffensein, Romantik als charakteristisch für eine nach ihrer Ansicht "überwundenen" Epoche erscheinen, längst vergessen sein werden..." (Richard Maux, österreichischer Komponist, 1952)
"Meine Begegnung mit Ihnen war ein unerwartetes Geschenk, ein Zeichen, daß alles Unerwartete, Fantastische und ewig Romantische noch immer da ist, trotz aller Bemühungen der gegenwärtigen 'Kunst-Führer', das alles auszurotten." (Nikolai Medtner, bedeutender russischer Komponist, in einem Brief an Marx im Jahre 1949)
"Joseph Marx ist für die Erhaltung der Musikkultur der Zukunft absolut nötig." (Pablo Casals, weltberühmter Cellist, 1960)
"Erst wenn der erste atonale Schlager auf Unterhaltungsabenden erklingt, wird man von einer gleichberechtigten Musikrichtung sprechen können." (Joseph Marx zum Thema atonale Musik)
Die unterhalb dieses Infokastens beginnenden Texte über Biographie, Persönlichkeit und Kompositionsstil von Joseph Marx geben nur einen
relativ knappen Einblick in das reiche Leben und Werk dieses Künstlers. Wer sich also noch umfassender informieren möchte, sollte sich unbedingt auch diesen Abschnitt hier anschauen: |
Joseph Rupert Rudolf Marx wurde als Sohn eines Arztes und einer Pianistin am 11. Mai 1882 in Graz/Österreich geboren (sein Name wird häufig irrtümlicherweise Josef Marx geschrieben). Die erste Unterweisung in die Musik erhielt er von seiner Mutter und wurde anschließend an Johann Buwas berühmter Klavierschule unterrichtet, wo vor ihm bereits viele andere Persönlichkeiten ihre musikalische Ausbildung genossen hatten, darunter Hugo Wolf. Hier erlernte Marx nicht nur das Violinspiel, sondern brachte sich zudem selbst das Cellospielen bei. Seine ersten Erfahrungen im Komponieren sammelte er zur Gymnasialzeit, als er aus vorhandenen Themen Klavierstücke und kleinere Werke für Trio- und Quartettbesetzung arrangierte. In der Zwischenzeit trat er außerdem als Klavierbegleiter bei Aufführungen des Schulensembles auf. Daraufhin wurde ihm das Klavierspielen von seinen Eltern (in erster Linie von seinem strengen Vater) verboten, doch er nutzte weiterhin jede sich bietende Gelegenheit, seinen Durst nach seiner größten Vorliebe, der Musik, zu stillen. Bereits zu dieser Zeit schrieb er seine ersten Klavierstücke. Während der Oberstufe erwog er - möglicherweise auch als Vorwand zur Befriedigung seiner Eltern - eine Ausbildung zum Uhrmachermeister, die er dann auch tatsächlich begann; doch auch der Beruf des Fotographen war ihm in dieser Zeit in den Sinn gekommen. Schließlich kehrte er dann doch ans Gymnasium zurück und beendete die Matura mit Erfolg. Nachdem er sich auf Wunsch seines Vaters in der juristischen Fakultät der Universität Graz eingeschrieben und ein Jahr lang in diesem für ihn so fremden Fach durchgehalten hatte, belegte er Kurse in Philosophie und Kunstgeschichte. Dies führte schließlich zu einem Bruch mit seiner Familie, doch für Marx hatte sein großes Interesse an der Musik weiterhin Vorrang, so daß er im Alter von 26 Jahren seine Kompositionstätigkeit wieder aufnahm und innerhalb von vier Jahren (1908-12) ungefähr 120 seiner rund 150 Lieder schrieb. Als hierdurch der Name des in Graz zum Doktor der Philosophie promovierten und in seiner Heimatregion bereits gefeierten Liederkomponisten auch in Wien bekannt wurde, übernahm Marx den ihm 1914 angebotenen Posten des Professors für Theorie an der Musikakademie der Universität Wien. 1922 wurde er Direktor dieser Akademie und zur Zeit der Reorganisierung des Instituts zur Hochschule für Musik (1924-27) hatte er den Posten des Rektors inne. In der Folgezeit (1932-33) war Marx einige Zeit lang im Auftrag der türkischen Regierung als Berater im Aufbau des (später von Paul Hindemith und Bela Bartok weiter ausgebauten) Konservatoriums in Ankara und des türkischen Musikschulsystems tätig. (Einen ausführlichen Bericht über seine Zeit in der Türkei - von Joseph Marx selbst verfaßt! - habe ich hier zur Verfügung gestellt.) Bis 1938 arbeitete er als Musikkritiker für das Neue Wiener Journal, und nach dem Zweiten Weltkrieg übte er die gleiche Tätigkeit für die Wiener Zeitung aus. In den insgesamt 43 Jahren seiner Professorentätigkeit in den Fächern Komposition, Harmonie und Kontrapunkt unterrichtete Marx eine ganze Musikergeneration (allein in Wien insgesamt 1.255 Studenten) und verfaßte zudem viele hundert Kritiken und Essays. So war Joseph Marx als einflußreiche Persönlichkeit bis zu seinem Tode in Graz am 3. September 1964 über lange Jahre Präsident, Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der wichtigsten Musikinstitutionen Österreichs.
Eine weitere, gut recherchierte Biographie (von Hans Jancik; aus "Die Musik in Geschichte und Gegenwart") findet man hier.
Aus einem Brief von Ernst Fischer (Nationalratsabgeordneter der KPÖ)
an Joseph Marx (11.05.1962; zu Marx' 80. Geburtstag):
"In Ihrer Musik
leuchtet verklärt die österreichische Landschaft,
Rebenhügel, goldenes Herbstlaub, der helle Himmel
drüberher, Melancholie und Liebenswürdigkeit,
Vitalität und das Leben, ein Traum, romantisch verzaubertes
Österreich. Ihre Persönlichkeit, die jeden Teufelspakt
zurückwies und zu keinem Zugeständnis an Eroberer und
Machthaber bereit war, ist über die Grenzen dieses Landes
hinausgewachsen. Ihre Phantasie ist nicht Rückzug der
Wirklichkeit, und was melodisch in ihr tönt, ist ein tapferes
Herz. Daraus wächst auch Ihr Humor, der das Gegenteil
österreichischer Schlamperei ist, nämlich Attacke gegen
alles Aufgeblasene, respektlose Haltung vor jeder Obrigkeit. Ihr
scharfer Witz hat stets Ihre milde Musik ergänzt. Sie haben
nicht nur Rhythmus sondern Rückgrat. Und das ist hierzuland
höchst rühmenswert. So haben Sie Dank, lieber Meister,
für Ihre Kunst und Ihre Mannhaftigkeit."
Joseph Marx war von großer Statur und dazu recht kräftig. Er galt als hervorragender Pianist, der auch seine eigenen, teilweise mit einem sehr anspruchsvollen Klavierpart besetzten Lieder bis ins hohe Alter gern am Flügel begleitete und dabei Kritiker und Publikum gleichermaßen begeisterte. Er wurde mir von seinen Schülern, Bekannten und Kollegen, mit denen ich sprach, als ein ausgesprochener Individualist und zugleich offenherziger Mensch mit feingeistig-philosophischem Hintergrund und einem subtilen Humor beschrieben, den er gern einsetzte. Ihm werden zudem eine ausgeprägte Menschenkenntnis und ein außerordentliches Einfühlungsvermögen bescheinigt, sowie eine deutlich spürbare Aura als selbstsichere, völlig in sich ruhende Persönlichkeit. Er wird stets als ein geistreicher und redegewandter Gesprächspartner bezeichnet, der seine Gedanken blendend zu formulieren wußte. Und so gestaltete er auch seinen Unterricht mit einer anregenden und humorvollen Atmosphäre und erzählte manchmal auch Anekdoten von seinen Begegnungen mit den vielen berühmten Komponisten, die er persönlich kannte oder gekannt hatte (z.B. Puccini, Szymanowsky, Franz Schmidt). Der Unterrichtsablauf war dabei rein improvisatorisch, wobei die Schüler sich allerdings auch keine Aufzeichnungen machen durften, damit sie das Gelernte nicht mechanisch, sondern intuitiv verstehen und anwenden konnten. Er pflegte seine Schüler unmerklich in ihren Stärken zu fördern und korrigierte sie nur im Falle technischer Fehler. Außerdem ist bekannt, daß Marx vielen seiner Schüler, die einer zusätzlichen Förderung bedurften, sogar während seiner freien Zeit Privatunterricht erteilte, ohne dafür ein Entgelt zu verlangen. Trotz seiner sehr kritischen Haltung gegenüber der atonalen Avantgarde lobte er als Kritiker auch Werke der jungen Modernisten, sofern sie sich noch der tonalen Musik zuordnen ließen. Er war bei Kollegen und Schülern gleichermaßen respektiert, auch bei jenen, die eine völlig gegensätzliche musikalische Richtung vertraten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß viele seiner aus verschiedensten Teilen der Erde stammenden Studenten später in ihrer jeweiligen Sparte sowohl in ihrer Heimat als auch weltweit Ruhm erlangt haben. Die Tatsache, daß der Gesamtnachlaß an Briefen an Marx sage und schreibe 14.589 Stück von 3.420 Schreibern (!) umfaßt, darunter eine unüberschaubare Zahl bekannter Namen, dürfte ein deutlicher Beweis für die Beliebtheit und Bekanntheit der Person Joseph Marx sein, dessen Name nach seinem Tode aufgrund verschiedener ungünstiger Faktoren in Vergessenheit geraten ist.
Sein Kompositionsstil
"Primär vom Naturerleben, vor allem von der südsteirischen Landschaft Hugo Wolfs (und von Italien; Anm.) inspiriert, sind die Werke von Marx Stimmungsmusik reinster Prägung und Ausdruck eines ungewöhnlichen Schönheitsempfindens. Südländische Melodienfreude, romantischer Impressionismus und das Klangerleben der jungrussischen Schule, vor allem Skrjabins, verbinden sich in ihnen zu charakteristischer Synthese. Dazu kommt ein starker Sinn für Polyphonie, dem auch die Mittelstimmen der Kompositionen ihre lebensvolle Faktur verdanken. Als Ausgleich gegen die stets überquellende Phantasie ist dem wissenschaftlich hochgebildeten Musiker ein scharfes Denken zu eigen, das Inhalt und Form in Übereinstimmung zu bringen sucht."
[Hans Jancik in: "Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG): Marx, Joseph", S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 60: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 49582 (vgl. MGG Bd. 08, S. 1740 ff. (c)), Bärenreiter-Verlag 1986]
Die folgenden Aufnahmen hat Martin Rucker am 1. April 2003 gemacht.
Viele weitere Fotos von Orten, an denen Marx gelebt und gewirkt hat, findet man hier... |
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DIE FOLGENDEN KAPITEL DIESER WEBSITE SIND DAS ERGEBNIS MEINES BESCHEIDENEN VERSUCHS, EINE ANTWORT AUF DIE FRAGE ZU FINDEN, WIE DER ZU LEBZEITEN GEFEIERTE UND ALLSEITS HOCHGESCHÄTZTE JOSEPH MARX DERART IN VERGESSENHEIT GERATEN KONNTE.
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