*
            Zurück zum Werkverzeichnis
           

*


Joseph Marx: Detaillierte Informationen zur "Idylle" von 1925

Die 1925 komponierte Idylle - Concertino über die pastorale Quart entstand inmitten der weit über zehn Jahre währenden, impressionistischen Orchestermusikphase des Komponisten und bildet den Mittelteil der am 20. September 1925 in Grambach bei Graz vollendeten Natur-Trilogie, die 1922 mit der Symphonischen Nachtmusik ihren Anfang genommen hatte, 1925 um die Idylle erweitert wurde und mit der im selben Jahr komponierten Frühlingsmusik schließlich ihren jubilierenden Abschluß fand. Bei der Natur-Trilogie handelt es sich um ein farbenreiches Opus voller romantisch-lyrischer Leidenschaft und zugleich um ein tiefes Bekenntnis zum Impressionismus. Der thematische Aufbau des Gesamtwerkes zeugt von der spirituellen Naturverbundenheit des Komponisten, der die eindrücklichen Stimmungen im Herzen der unberührten Landschaften seiner Heimat herrlich umzusetzen wusste; Schöpfungen eines wahren Klangzauberers, deren modern-geschmeidiger Kontrapunkt nur noch von der atemberaubend polyphonen Verarbeitung und einer oftmals überwältigenden harmonischen Kühnheit übertroffen wird.

Marx schrieb die Natur-Trilogie unmittelbar nach seinem monumentalen Mammutwerk, der für ein großes Symphonieorchester angelegten Herbstsymphonie (1921), und so lag es in der Natur der Dinge, daß Marx sich bei der Natur-Trilogie in Klangfülle und Opulenz gegenüber der kaum mehr steigerbaren Symphonie recht deutlich zurückhielt. Er tat dies insbesondere bei der Idylle, die - anders als die übrigen Teile der Natur-Trilogie - nicht für einen großen, sondern für einen gewöhnlichen Orchesterapparat angelegt ist.

Mit ihrer feinsinnig ökonomischen Behandlungsart der Instrumentierung ist die Idylle ein viertelstündiges Tongedicht höchster Güte. Sie steht in F-Dur und kann als "große Schwester" der Marxschen Pastorale für Cello & Klavier aus dem Jahre 1913 betrachtet werden. Der vom Komponisten gewählte Untertitel Concertino über die pastorale Quart könnte treffender kaum sein: Mit einem für ihn ungewohnt zurückhaltenden, sehr zarten Impressionismus läßt Marx durch vorwiegende Verwendung der Quart eine Pastoralphantasie entstehen, die zu Recht als das österreichische Gegenstück zu Debussys berühmtem Nachmittag eines Faun gelten darf. Der Zuhörer wird in Landschaften entführt, in denen mit verträumt atmosphärischen Bildern und verschwimmenden Fernen der geheimnisvolle Reiz des Südlichen zum Leben erweckt wird. Die Idylle wird von einer Solo-Klarinette umrahmt, die durch eine Adaption des berühmten Flötenthemas aus dem Prélude à l'après-midi d'un faun prägend in das Stück hineinführt. Archaisierende Quarten zaubern eine mediäval anmutende Pastorale. Förmliche Instrumentierung in französischer Manier und eine geistreich schwebende, kunstvoll zurückhaltende Stimmung zeichnen hier das Gemälde spätsommerlicher Weingärten, in denen sich Windräder schwermütig drehen. Zweifellos hat Marx mit der Idylle eine kongeniale Hommage an Debussys Prélude geschaffen, die den Vergleich mit diesem Meisterwerk keineswegs scheuen muß.

Die Uraufführung der Idylle fand am 4. März 1926 in Wien durch die Wiener Symphoniker unter der Leitung des Klangspezialisten Clemens Krauss statt. Es folgten viele weitere, hauptsächlich österreichische Aufführungen in Graz und Wien durch Größen wie Karl Böhm und Hans Swarowsky sowie Konzerte in Deutschland unter Clemens Krauss (u.a. in Frankfurt am Main und Darmstadt). Erst in den Sechziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, wohl auch bedingt durch den Tod des Komponisten im Jahre 1964, verschwand die zu dem Zeitpunkt nur noch gelegentlich gespielte Idylle leider vollkommen aus den österreichischen Konzertprogrammen, bis sie am 6. Juni 2002 von den Bochumer Symphonikern unter Steven Sloane als Vorbereitung für eine CD-Einspielung der gesamten Natur-Trilogie in Bochum wiederaufgeführt wurde und gewissermaßen ein Revival der überaus reizvollen Orchesterwerke des Komponisten einläutete.

In dem ausschweifenden Wohlklang und der raffinierten Harmonik der Partituren von Joseph Marx spiegelt sich auch das vielseitige und schillernde Wesen dieses Künstlers wider: Ein tiefgründiger Lyriker und sehnsuchtsvoller Optimist, der seine nie versiegende Daseinsfreude mit anderen teilen möchte. Und so nimmt Joseph Marx als Mystiker des Glücks einen ganz besonderen Platz in der Musikgeschichte ein und verdient als solcher auch die entsprechende Aufwertung in den Konzertprogrammen.

© Berkant Haydin



Zurück zum Werkverzeichnis


http://www.joseph-marx.org/   © 2001-2006 Berkant Haydin     Besuche: Kostenloser Counter von Internet Service Dienste