Fono Forum, Ausgabe September 2003

In welche Schublade?

In Zeiten der nahezu inflationären Repertoireerweiterung (jedenfalls der im CD-Regal) ist es nicht mehr allein interessant, was "wiederentdeckt" wird, sondern wer dies tut. Dies gilt auch für die Werke des in Graz geborenen Joseph Marx (1882-1964), der in Wien zeit seines Lebens als Schaltstelle des institutionellen Musiklebens fungierte (etwa auch als Gründungsrektor der Musikhochschule). Denn nach einer 1967 erschienenen Biographie scheint sich für Marx im selbst apostrophierten "Musikland Österreich" kaum etwas zu tun. Nicht nur das Klavierkonzert, eine Auswahl von Liedern, die drei Streichquartette und die knapp einstündige (!) Violinsonate wurden außerhalb des stolzen Kunsthortes eingespielt, sondern nun auch eines seiner Hauptwerke: die zwischen 1922 und 1925 entstandene, in dieser zyklischen Gestalt jedoch noch nie aufgeführte "Natur-Trilogie".

Die Entdeckerfreude ist dabei den von Steven Sloane geleiteten Bochumer Symphonikern deutlich anzumerken. Mit technischer Souveränität und einem sicheren Gespür für die richtigen Farben werben sie geradezu für die melodisch fließende, dicht gestrickte, nachromantisch-tonale Partitur. Der kompakte Klang macht es einem zwar nicht immer leicht, das Gewebe unter der meisterlich gestalteten, sinnlich um einige Grade unterkühlten Oberfläche restlos zu durchhören. Wer aber vor allem den späten Reger kennt, der wird etwa in der einleitenden "Nachtmusik" verblüffende Anklänge an die Böcklin-Suite konstatieren. Anders als die Moderne brach Marx nicht mit der Tradition des 19. Jahrhunderts - doch auch nach dieser Trilogie dürfte noch immer zu wenig von ihm bekannt sein, um seine Position in der Geschichte des Komponierens genau wie gerecht zu bestimmen.

Michael Kube

Interpretation **** (4 von 5 Sternen)
Klang: *** (von 5)
R ("R" = besonderer Repertoirewert)


  Back to the Discography (English page)  


  Zurück zur Diskographie (deutsche Seite)  



http://www.joseph-marx.org/   © 2001-2005 Berkant Haydin