Orchesterwerke von Joseph Marx, Vol. 1 (ASV): Rezension in der Neuen Musikzeitung (NMZ), Juli/August 2004, Seite 38
Nachtmusik
Der österreichische Tonsetzer Joseph Marx (1882-1964) hat die Natur-Trilogie im unmittelbaren Anschluss an seine monumentale Herbstsymphonie von 1920/21 komponiert. Es ist, wenn man so will, seine "Frühlings-Symphonie" geworden, die das Erwachen der Natur sowohl aus der Ruhe der Nacht als auch aus dem Schlaf des Winters schildert. Das Werk, das in zwei Schüben 1922 (Eine symphonische Nachtmusik; ursprünglich: Mondnacht) und 1925 (Idylle sowie Eine Frühlingsmusik) entstand, wurde zu Lebzeiten von Marx nie vollständig und ungekürzt gespielt, wohl aber bereits 1926 von Clemens Krauss einzeln uraufgeführt und viel nachgespielt, in den letzten Jahrzehnten jedoch vollständig vergessen. Dies etwas ziellose Schwelgen in überreifem, spätromantisch-impressionistischem Wohlklang wäre vor dem Krieg noch modern gewesen, hatte aber danach etwas Unzeitgemäßes an sich, das im Stilpluralismus der zwanziger Jahre und darüber hinaus jedoch durchaus noch geschätzt wurde. Eine Symphonische Nachtmusik erinnert an "Pelleas und Melisande" oder "Daphnis et Chloë", das Idyll (mit einer Viertelstunde Dauer noch der kürzeste der drei Sätze) zitiert "Prélude à l'après-midi d'un faune", während Eine Frühlingsmusik durch Wiederaufgreifen von Motiven aus dem ersten Teil die Satzfolge zum Zyklus rundet. Angesichts dieser stilistischen Vorlieben überrascht es kaum zu erfahren, dass Marx in seiner Eigenschaft als Musikpädagoge (er war Professor für Theorie), Autor und Kritiker einer der engagiertesten Gegner der Zweiten Wiener Schule war, da man die Atonale beziehungsweise Zwölfton-Musik "niemals mit dem Herzen verstehen" könne. Allerdings ist ihm zugute zu halten, dass er sich für viele durch den Nationalsozialismus bedrohte oder vertriebene Kollegen in vorbildlicher Weise einsetzte. Er selber blieb noch am ehesten durch sein umfangreiches Liedschaffen (circa 150 Lieder entstanden bis 1916) in Erinnerung. Die Bochumer Symphoniker sind nunmehr angetreten, dieses einseitige Bild durch seine praktisch nur in den Sommermonaten (in den akademischen Ferien) entstandenen Orchesterwerke zu ergänzen. Zu diesem längst überfälligen Vorhaben ist Dirigent Steven Sloane nur zu beglückwünschen. Mátyás Kiss |
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