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Joseph Marx: Detaillierte Informationen zum Romantischen Klavierkonzert von 1919

(Um sich die erste Seite des Auszugs für zwei Klaviere in groß anzeigen zu lassen, einfach auf das Bild klicken!)

Eine der hervorstechendsten Kompositionen von Joseph Marx, mit der er seine Haltung als Musiker anschaulich zum Ausdruck brachte, ist das 1919 vollendete Romantische Klavierkonzert in E-Dur, dessen erste Skizzen er bereits 1916 niedergeschrieben hatte. Schon bei Betrachtung der Namensgebung fällt die musikalische Standortbestimmung deutlich auf, und die Kritik schloß sich der Zielsetzung des Komponisten durchaus an, wie z.B. einer Stellungnahme der "Reichspost" vom 7. Februar 1921 zu entnehmen ist: "Es gehört der Mut einer überzeugungstreuen, auf Ideale schwörenden Künstlerseele dazu, in der heutigen Zeit des nüchternen Intellektualismus, der leider Gottes auch in das geheiligte Reich der Kunst mit seinem zerstörenden Gifthauch eingedrungen ist, mit einem romantischen Klavierkonzert vor die öffentlichkeit zu treten und unbekümmert um das spöttische Lächeln unserer neuen musikalischen Teufelsanbeter und häßlichkeitstrunkenen Neutöner durch ein derartiges Werk den hohen Schönheitsidealen zu huldigen. Joseph Marx hat dies mit seiner neuesten Schöpfung getan und damit eine Kulturtat vollbracht, für die ihm alle Dank wissen werden, denen die Kunst heilig ist, die als höchste Aufgabe des Kunstschaffens die Darstellung des Schönen ansehen und die in ihr mit dem ästhetisch-formalen Element auch einen ethischen Inhalt suchen...".

Das rund 40-minütige Romantische Klavierkonzert leitete die bis 1932 andauernde Orchestermusikphase des Komponisten ein, der nach Vollendung seiner 1910 und 1911 entstandenen Chorwerke mit Orchesterbegleitung zunächst nur Lieder, Kammer- und Klaviermusik geschrieben hatte. Die Uraufführung des Klavierkonzerts wurde zunächst im Sommer 1919 von Marx und dem in Triest geborenen Pianisten Angelo Kessissoglu gemeinsam in einer Fassung für zwei Klaviere (die der Universal Edition ebenfalls vorliegt) gespielt, während die Orchesterpremiere am 19. Januar 1921 durch die Wiener Symphoniker unter Ferdinand Löwe stattfand. Später hat Marx das Konzert übrigens auch selbst dirigiert; Berichten zufolge ist er sogar recht häufig als Dirigent seiner eigenen Werke in Erscheinung getreten, beispielsweise der Orchesterlieder oder des zweiten Klavierkonzerts Castelli Romani von 1929/30, aber bisweilen auch bei Aufführungen von Werken anderer Komponisten. Zu den bekanntesten Pianisten, die sich des Romantisches Klavierkonzerts annahmen, gehört Walter Gieseking, der übrigens auch der Solist bei der Uraufführung von Castelli Romani war und dieses zweite Klavierkonzert in den folgenden zwei Jahrzehnten häufig spielte.

Das Romantische Klavierkonzert läßt sich im Grunde genommen als großzügig gearbeitetes, symphonisches "Duett" zwischen Klavier und Orchester bezeichnen. Der im Klangbild moderne, eindeutig dem 20. Jahrhundert zuzuordnende Klavierpart verlangt vom Solisten ein ungeheures Maß an Virtuosität und Ausdauer. Dennoch wirkt das Klavier hier nur selten als gesonderter Klangkörper, sondern ist vielmehr in die große symphonische Gestaltung eingeflochten und wird oft in aparten Überglitzerungen entsprechend seiner farbigen Wirkung verwendet. Doch dies muß den meisten Pianisten als undankbare Aufgabe erscheinen, denn im Ergebnis fällt nur dem sehr geübten Hörer auf, welch enormen Kraftakt der Solist vollbringen muß - vermutlich einer der Hauptgründe dafür, daß dieses Virtuosenstück relativ unbemerkt geblieben ist. Nach einem leidenschaftlichen Gefühlsüberschwang und der ausladenden Melodik des mit "Lebhaft" überschriebenen ersten Satzes führt das "Andante affetuoso" in der parallelen Molltonart (selten genug, denn Marx war ein ausgesprochener Dur-Komponist) zur Kontemplation inmitten einer ernsten, polyphon-gotischen Grundstimmung. Der rondoartige Finalsatz - "Sehr lebhaft" - beinhaltet ein eingestreutes Tarantella-Thema im Charakter eines Scherzos mit südlichen, rhythmisch-exotischen Wendungen und bringt das Werk nach einer Reprise eines der Hauptthemen des ersten Satzes schließlich mit hämmernden Akkorden zu einem triumphierenden Ende.

Mit dem Tode von Marx im Jahre 1964 teilte das Romantische Klavierkonzert das Schicksal fast aller Orchesterwerke des Komponisten und verschwand gänzlich von der Bildfläche, bis es schließlich von Jorge Bolet aufgegriffen wurde, der die Partitur nach eigenen Angaben Mitte der Siebziger Jahre in einer privaten Musiksammlung entdeckt hatte. Bolet spielte sein "Lieblingskonzert" im Laufe des darauffolgenden Jahrzehntes mit bedeutenden Orchestern in vielen Teilen der Welt, darunter auch in Deutschland (Berlin, Hamburg, Hannover, München) und anderen europäischen Städten wie Wien, Linz und Zagreb, doch unvergeßlich geblieben ist sicherlich der große Erfolg des Werkes in seiner legendären US-Premiere mit den New Yorker Philharmonikern unter Zubin Mehta im Jahre 1976. In dem ausschweifenden Wohlklang und der raffinierten Harmonik in seinen Partituren spiegelt sich das vielseitige und schillernde Wesen dieses Künstlers wider, dessen Oeuvre die längst überfällige Aufwertung in den Konzertprogrammen verdient.

© Berkant Haydin



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